Die künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert nicht nur die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, sondern stellt auch unser menschliches Selbstverständnis grundlegend infrage. Jahrzehntelang definierte sich der Mensch stark über Wissen und rationale Fähigkeiten. Doch was bedeutet es, wenn Wissen jederzeit und überall verfügbar ist?
Dr. Matthias Zender, renommierter Schweizer Journalist, Medienwissenschaftler und Experte für KI-Ethik, beschreibt die gegenwärtige Entwicklung als eine „digitale Kränkung“. Diese Kränkung ergibt sich daraus, dass Computer zunehmend in Bereiche eindringen, die bisher als ausschließlich menschlich galten, wie kreatives Denken und komplexe Entscheidungsfindung. Dabei ersetzt die KI nicht nur einfache, repetitive Tätigkeiten, sondern greift auch tief in Kernbereiche unserer Identität ein.
Zender betont, dass Wissen mehr ist als nur das Anhäufen von Informationen. Wissen entsteht durch die sinnvolle Verknüpfung von Informationen, die konkrete Tätigkeiten ermöglicht. Ein Beispiel aus der Medizin verdeutlicht dies: Zwar könnte eine KI alle medizinischen Informationen verfügbar machen, doch die entscheidende Fähigkeit, Symptome richtig zu beurteilen und Diagnosen zu stellen, liegt weiterhin beim Arzt. Erst die korrekte Eingabe der Symptome ermöglicht es der KI, präzise Ergebnisse zu liefern.
Die eigentliche Herausforderung liegt darin, dass Menschen motiviert bleiben, sich tiefgründiges Fachwissen anzueignen, obwohl KI scheinbar alles Wissen mühelos verfügbar macht. Zender betont die Wichtigkeit des Kontextverständnisses, der kritischen Bewertung von Situationen und der Fähigkeit, mit KI-Systemen in einen aktiven Dialog zu treten. Diese „Co-Intelligence“ erfordert eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Für Arbeitnehmer und Unternehmen bedeutet dies, dass Fach- und Branchenwissen weiterhin unverzichtbar bleiben. KI ist ein Werkzeug, das nur dann effektiv eingesetzt werden kann, wenn Menschen die richtigen Fragen stellen, Situationen korrekt bewerten und kritisch denken können. Laut Zender wird es künftig entscheidend sein, die menschliche Intelligenz neben der KI aktiv zu fördern und weiterzuentwickeln.
Abschließend empfiehlt Zender Unternehmen, nicht nur in Technologie, sondern besonders in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Denn letztlich ist es nicht allein die Intelligenz der Maschinen, die über Erfolg entscheidet, sondern vor allem die Fähigkeit der Menschen, Verantwortung zu übernehmen, kritisch zu denken und innovative Lösungen zu entwickeln.